Arbeiten von Zuhause, virtuelle Videokonferenzen und innovative Bürgerinteraktions- und Bürokonzepte sollten auch bei öffentlichen Verwaltungen die Regel statt die Ausnahme sein. Die Stadtverwaltung Kirchheim unter Teck macht vor, wie das – gerade unter Corona-Bedingungen – sehr gut funktioniert. Den bestehenden Sanierungsbedarf ihrer Verwaltungsgebäude nahm sie zum Anlass, ein Konzept für neue Arbeitsumgebungen zu testen. Dafür wurden in einem groß angelegten Pilotprojekt 45 Arbeitsplätze in ein ehemaliges Fabrikgebäude im Otto-Ficker-Areal verlagert. Die Arbeitswelt-Experten der RBSGROUP, ein Tochterunternehmen des Stuttgarter Planungs- und Beratungsunternehmens Drees & Sommer SE, haben die Stadt in Konzeption und Umsetzung der neuen Arbeits- und Bürowelt unterstützt.
Bereits im Mai 2018 mietete die 25 km südöstlich von Stuttgart gelegene Stadt rund 1.000 Quadratmeter Fläche im Otto-Ficker-Areal an. Mittlerweile sind fast 50 Mitarbeitende aus den Abteilungen Personal, Organisation und Finanzen umgezogen. Bürgermeister Stefan Wörner verspricht sich von dem neuen Standort eine bessere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abteilungen: „Wir haben jetzt 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einem Stockwerk. Die waren vorher auf sieben Etagen in unterschiedlichen Gebäuden verteilt. Außerdem haben wir technisch nachgerüstet, um beispielsweise Videokonferenzen im professionellen Stil abzuhalten. Da wir bereits vor Corona als einer der wenigen Arbeitgeber der öffentlichen Hand Homeoffice angeboten haben, ist für uns eine sehr gute IT-Infrastruktur unerlässlich“, erklärt Wörner weiter. Dies erweise sich gerade jetzt, wo erneut strengere Corona-Regeln gelten, als enormer Vorteil.
Bürgernähe trotz Corona
Die Corona-Schutzmaßnahmen lassen sich in den anderen Verwaltungsgebäuden aufgrund der räumlichen Gegebenheiten nur unter großen Einschränkungen umsetzen. Die neue Pilotfläche lässt sich dagegen unkompliziert anpassen. So wurde die Fläche in drei verschiedene Zonen eingeteilt mit öffentlich, halböffentlichen sowie geschützten Bereich. In der öffentlich zugänglichen Zone schützen Scheiben aus Plexiglas Bürger und Mitarbeitende vor Tröpfcheninfektionen mit dem Coronavirus. Zudem sorgt ein Tool zur Online-Terminvereinbarung für kurze Wartezeiten und hilft den Verwaltungsmitarbeitern, die Auslastung zu steuern. Das erweist sich gerade aktuell als wertvoll, da so Menschenansammlungen vermieden werden und ein geringes Ansteckungsrisiko besteht.
Bessere Interaktion, aber auch Rückzug möglich
Im geschützten Bereich befinden sich die Büroräume der Mitarbeitenden. Anders als bei den Bestands-Verwaltungsgebäuden handelt es sich hierbei nicht mehr um geschlossene Räume mit vier Wänden und einer eigenen Zugangstür, sondern um voneinander abgegrenzte Bereiche, in denen Schreibtische mit jeweils vier Arbeitsplätzen stehen. Neben größeren Besprechungsräumen, die mit moderner Technik für Videokonferenzen ausgerüstet sind, gibt es außerdem vier kleinere so genannte Think Tanks. Dabei handelt es sich um abgetrennte Rückzugsorte, um bei Bedarf hochkonzentriert allein arbeiten zu können, ein vertrauliches Telefonat zu führen oder sich kurz zu zweit in ungestörter Atmosphäre auszutauschen. Noch hat jeder Mitarbeitende seinen eigenen Arbeitsplatz. Aufgrund des langfristigen Trends zum mobilen Arbeiten sieht die Stadtverwaltung aber Desksharing vor, bei dem sich mehrere Mitarbeiter einen Arbeitsplatz teilen.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Mitgestalter
Zum Start des Pilotprojekts gab es Wörner zufolge Bedenken, dass produktives Arbeiten in der neuen Arbeitsumgebung nicht möglich sei. Das habe sich aber sehr schnell relativiert. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen die Rückzugsräume, um konzentriert zu arbeiten und schätzen an dem offenen Konzept die Möglichkeiten zur besseren Zusammenarbeit“, sagt Wörner. „Kolleginnen und Kollegen aus anderen Gebäuden würden jederzeit gern ins Pilotgebäude ziehen und das ist für uns die beste Bestätigung, dass das Konzept richtig und zukunftsweisend ist.“
Um solch eine breite Akzeptanz zu erreichen, ist allerdings die Einbindung der Belegschaft in frühesten Projektphasen wichtig. In Kirchheim unterstützte die RBSGROUP, ein Drees & Sommer-Tochterunternehmen, nicht nur mit dem gesamten Design für die neue Arbeitswelt, sondern führte auch Mitarbeiterbefragungen und mehrere Workshops durch, um Klarheit über die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu haben und daraus deren ideale Arbeitsumgebung abzuleiten. „Am besten wissen immer die Nutzerinnen und Nutzer der Immobilie, wo die Probleme und Chancen für ihre Organisation liegen. Deshalb beziehen wir sie aktiv ein – von der Führungskraft bis zur Assistenz“, sagt Projektleiterin Marion Müller von der RBSGROUP. „Richtig konzipiert, wird eine neue Arbeitswelt zu einer motivierenden Zukunftsvision. Eine Vision, die zeigt, dass sich festgefahrene Verhaltensmuster, Arbeitsroutinen und Denkweisen ändern können und sollen. Als eine der ersten deutschen Kommunen macht Kirchheim unter Teck vor, wie so etwas gelingen kann.“